24. Mai 2007 von Dr. Jacob Slavenburg

Interview mit Dr. Jacob Slavenburg

Interview der Stiftung Rosenkreuz mit Dr. Jacob Slavenburg, Autor der Bücher „Die geheimen Worte“, „Ein Schlüssel zur Gnosis“ und „Urknall des Christentums“ (alle im DRP Rosenkreuz Verlag).

Herr Dr. Slavenburg, könnten Sie in wenigen Worten sagen, was man unter „Gnosis“ versteht? Gnosis ist das griechische Wort für Kenntnis oder Einsicht. Dabei geht es nicht um eine äußerliche Kenntnis, sondern um die „Kenntnis des Herzens“, um intuitive Kenntnis, wie in dem Begriff: Selbsterkenntnis.

Gab es einen speziellen Anlass für Sie, sich mit diesem Themenbereich zu befassen? Als ich neben Geschichte und Kunstgeschichte auch Religionsgeschichte studierte, kam ich mit der Gnosis in Berührung und hörte von dem Fund bei Nag Hammadi: es war ein Krug voller gnostischer Schriften aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechung. Als ich mich darin vertiefte, empfand ich es wie eine Art Wiedererkennen von etwas, das ich schon länger „wusste“, dem ich jedoch bis dahin noch keine bewusste Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Hat Gnosis Ihrer Meinung nach heute noch eine aktuelle Bedeutung? Ja, gewiss. Gerade in dieser Zeit besteht stets mehr Bedarf an Wissen darüber, wer man eigentlich ist, was der Platz des Menschen auf dieser Erde ist. Die gnostische Symbolik kann dabei helfen, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Könnten Sie den Unterschied zwischen Gnosis und Gnostizismus erläutern? Mit Gnostizismus (englisch: gnosticism) deuten Wissenschaftler das Phänomen der Gedankenwelt der gnostischen Christen der ersten Jahrhunderte des Christentums an.
Gnosis als inneres Wissen ist vollkommen universell und nicht an Zeit oder Kultur gebunden.

Gibt es etwas nach dem Fund von Nag Hammadi zu revidieren in der Geschichtsschreibung über unsere religiösen Wurzeln? Das ist absolut meine Meinung. Auch durch den Fund der Nag Hammadi-Schriften haben wir erkannt, dass die Geschichte des frühesten Christentums sich nicht so abspielte, wie es von der kirchlichen Tradition überliefert wurde. Die Geschichte schreiben immer die „Gewinner“. Bei dem Richtungsstreit im zweiten Jahrhundert n. Chr. behielt die orthodoxe Richtung die Oberhand. Das war der Beginn der Verketzerung der gnostischen Anschauungen und Überlieferungen. Historisch ist bewiesen, dass die Gnostik größtenteils im ältesten, dem jüdischen Christentum wurzelt, das später ebenfalls zur Ketzerei erklärt wurde.

Wie war die Reaktion der Kirche auf die Funde von Nag Hammadi? Ziemlich lau. Zuerst tat man den Fund ab mit Bemerkungen wie: „Das wissen wir schon lange, denn die Kirchenväter schrieben alle über die Gnosis. Es ist also nichts Neues.“ Heutzutage nimmt man diesen Fund in der theologischen Wissenschaft schon ernster. Aber für die Kirche ist die Gnostik immer noch Ketzerei.

Gibt es Gnosis nur im Zusammenhang mit dem Christentum? Nein, Gnosis gibt es, wie gesagt, in allen Zeiten und bei allen Kulturen. Es fällt auf, dass in dem Fund von Nag Hammadi, der von koptischen (christlichen) Mönchen begraben wurde, auch jüdische Texte enthalten waren und sogar auch drei hermetische Texte aus der Schule des großen Weisen Hermes Trismegistus.

Könnte man mit Hilfe gnostischen Denkens eine Brücke zwischen verschiedenen Religionen schlagen? Das glaube ich schon. Gnosis ist pantheistisch. Da wir alle aus Gott hervorkommen, tragen wir das Göttliche auch in uns. Daher sind wir alle Brüder und Schwestern, Abkömmlinge desselben metropater (Mutter-Vater; dieser Name für den Urquell wird im Geheimen Buch des Johannes aus den Nag-Hammadi-Schriften erwähnt).

Wie kamen Sie auf den Begriff „Urknall“ im Zusammenhang mit dem Christentum? Nach den Astrophysikern ist das Weltall aus einem Urknall entstanden (the theory of the Big Bang). Jesus van Nazareth hat sich mit dem Logos, der göttlichen Intelligenz, vereinigt. Diese präexistente Kraft wurde bei seinem Tod am Kreuz frei und hat sich mit der Erde verbunden. Das ist sozusagen ein geistiger Urknall. Die Logos-Kraft breitet sich immer noch weiter aus – oft unbewusst – so wie auch das physische Weltall sich noch stets ausdehnt.

Ist eine erneute Ausgießung des Geistes heutzutage denkbar? Ich meine, das ist mehr eine Angelegenheit der Bewusstwerdung. Der Geist ist anwesend, aber er wird oft noch nicht erkannt. Die Gnostiker sagen, dass wir alle Geist in uns tragen.

Wie hat die Beschäftigung mit diesen Fragen sich auf Ihr Leben ausgewirkt? Ich bin mir dessen bewusster geworden, wer ich bin und was ich hier auf Erden tun darf. Dadurch bin ich mir auch meiner eigenen Religiosität bewusst geworden. Ich bin nicht kirchlich erzogen und gehöre auch immer noch keiner Kirche an. Obwohl ich die Schönheit der hinduistischen Göttergemeinschaft bewundere und von den Lehren Buddhas berührt bin, fühle ich mich sehr mit Jesus verbunden und bin fasziniert vom frühesten, noch sehr jüdischen Christentum.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Alle Felder sind erforderlich.