16. Februar 2013 von Hermann Achenbach

Richard Wagner: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg

Romantische Oper in drei Aufzügen

Zweiter Auftritt

Venus und Tannhäuser.

 

(Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem Traume auf. — Venus zieht ihn schmeichelnd zurück, — Tann­häuser führt die Hand über die Augen, als ob er ein Traumbild festzuhalten suche.)

 

Venus. Geliebter, sag‘, wo weilt dein Sinn?

 

Tannhäuser [schnell].

Zu viel! Zu viel! (Langsamer und leise). Oh, dass ich nun er­wachte!

Venus. Sag‘, was kümmert dich?

 

Tannhäuser. Im Traum war mir’s, als hörte ich — was meinem Ohr so lange fremd! als hörte ich der Glocken frohes Geläute: — oh, sag‘! Wie lange hört‘ ich’s doch nicht mehr?

 

Venus. Wohin verlierst du dich? Was ficht dich an?

 

Tannhäuser. Die Zeit, die hier ich verweil‘, ich kann sie

nicht ermessen: — Tage, Monde — gibt’s für mich nicht mehr, denn nicht mehr sehe ich die Sonne, nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne; — den Halm seh‘ ich nicht mehr, der frisch ergrünend den neuen Sommer bringt; — die Nachtigall hör‘ ich nicht mehr, die mir den Lenz verkünde: — hör‘ ich sie nie, seh‘ ich sie niemals mehr?

 

Venus [sich im Lager aufrichtend].

Ha! Was vernehm ich? Welche tör’ge Klagen! Bist du so bald der holden Wunder müde, die meine Liebe dir bereitet? — Oder wie? Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein? Hast du so bald vergessen, wie du einst gelitten, während jetzt du dich erfreust? — Mein Sänger, auf! Ergreife deine Harfe! Die Liebe feire, die so herrlich du besingst, dass du der Liebe Göttin selber dir gewannst! Die Liebe feire, da ihr höchster Preis dir ward!

 

Tannhäuser. (zu einem plötzlichen Entschlüsse ermannt, nimmt die Harfe und stellt sich feierlich vor Venus hin).

Dir töne Lob! Die Wunder sei’n gepriesen, die deine Macht mir Glücklichem erschuf! Die Wonnen süß, die deiner Huld entsprießen, erheb‘ mein Lied in lautem Jubelruf! Nach Freude, ach! nach herrlichem Genießen verlangt‘ mein Herz, es dürstete mein Sinn: Da, was nur Göttern einstens du erwiesen, gab deine Gunst mir Sterblichem dahin. —

Doch sterblich, ach! bin ich geblieben. —

Und übergroß ist mir dein Lieben;

wenn stets ein Gott genießen kann,

bin ich dem Wechsel Untertan;

nicht Lust allein liegt mir am Herzen,

aus Freuden sehn‘ ich mich nach Schmerzen;

aus deinem Reiche muss ich fliehn —

oh Königin, Göttin! Lass mich ziehnl

 

Venus (noch auf ihrem Lager).

Was muss ich hören! Welch ein Sang! Welch trübem Ton verfällt dein Lied. Wohin floh die Begeistrung dir, die Wonnesang dir nur gebot?

Was Ist’s? Worin war meine Liebe lässig? Geliebter, wessen klagest du mich an?

 

Tannhäuser (zur Harfe).

Dank deiner Huld! Gepriesen sei dein Lieben!

Beglückt für immer, wer bei dir geweilt! Ewig beneidet, wer mit warmen Trieben in deinen Armen Götterglut geteilt! Entzückend sind die Wunder deines Reiches, den Zauber aller Wonnen atm‘ ich hier;

kein Land der weiten Erde bietet gleiches, was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir.

Doch ich aus diesen ros’gen Düften

verlange nach des Waldes Lüften,

nach unsres Himmel klarem BIau,

nach unsrem frischen Grün der Au´,

nach unsrer Vöglein liebem Sange,

nach unsrer Glocken trautem Klange; —

Aus deinem Reiche muss ich fliehn, —

o Königin, Göttin! Laß mich ziehn!

 

Venus. (leidenschaftlich von ihrem Lager aufspringend).

Treuloser! Weh! Was lässest du mich hören? Du wagtest meine Liebe zu verhöhnen? Du preisest sie und willst sie dennoch fliehn? Zum Überdruß ist mir mein Reiz gediehn?

 

Tannhäuser. Ach o schöne Göttin! Wolle mir nicht

zürnen! Dein übergroßer Reiz ist’s, den ich meide, fliehe!

 

Venus. Weh dir! Verräter! Heuchler! Undank­barer! Weh! Ich lass dich nicht! Du darfst nicht von mir ziehen!

Ach!

Tannhäuser. Nie war mein Lieben größer, niemals als jetzt, da ich für ewig dich muss fliehn!

 

Venus. (mit leiser Stimme beginnend).

Geliebter, komm! Sieh dort die Grotte,

von ros’gen Düften mild durchwallt!

Entzücken bot‘ selbst einem Gotte

der süß’sten Freuden Aufenthalt;

besänftigt auf dem weichsten Pfühle

flieh‘ deine Glieder jeder Schmerz,

dein brennend Haupt unwehe Kühle,

wonnige Glut durchschwelle dein Herz.

Aus holder Ferne mahnen süße Klänge, dass dich mein Arm in trauter Näh‘ umschlänge:

Von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank, aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank: — ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen, der Liebe Feier lass uns froh begehen! Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn, — nein! — mit der Liebe Göttin schwelge im Verein.

 

Sirenen (aus weiter Ferne, unsichtbar).

Naht euch dem Strande, naht euch dem Lande!

 

Venus (Tannhäuser sanft nach sich ziehend). Mein Ritter! Mein Geliebter! Willst du fliehn?

 

Tannhäuser. (auf das äußerste hingerissen, greift mit trun­kener Gebärde in die Harfe).

 

Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen!

Gesungen laut sei nur dein Preis von mir!

Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,

und jedes holde Wunder stammt von dir.

Die Glut, die du mir in das Herz gegossen,

als Flamme lodre hell sie dir allein!

Ja, gegen alle Welt will unverdrossen

fortan ich nun dein kühner Streiter sein. —

 

[Er lässt die Harfe entsinken.]

 

Doch hin muss ich zur Welt der Erden, bei dir kann ich nur Sklave werden;

nach Freiheit doch verlange ich,

nach Freiheit, Freiheit dürstet’s mich;

 

zu Kampf und Streite will ich stehn,

sei’s auch um Tod und Untergehn; —

drum muss aus deinem Reich ich fliehn —

o Königin, Göttin! Lass mich ziehn!

 

Venus (im heftigsten Zorne).

Zieh hin, Wahnsinniger, zieh hin! Verräter, sieh, nicht halt‘ ich dich! Ich geb‘ dich frei — zieh hin! zieh hin! Was du verlangst, das sei dein Los! Hin zu den kalten Menschen flieh, vor deren blödem, trübem Wahn der Freude Götter wir entflohn tief in der Erde wärmenden Schoß. Zieh hin, Betörter! Suche dein Heil, suche dein Heil — und find‘ es nie!

Bald weicht der Stolz aus deiner Seel‘, demütig seh‘ ich dich mir nah’n, zerknirscht, zertreten suchst du mich auf, flehst um die Zauber meiner Macht!

 

Tannhäuser. Ach, schöne Göttin, lebe wohl!

Nie kehr‘ ich je zu dir zurück!

 

Venus. Ha! Kehrtest du mir nie zurück!

(Verzweiflungsvoll.)

Kehrst du nicht wieder, ha! so sei verflucht von mir das ganze menschliche Geschlecht! Nach meinen Wundern dann vergeblich suchet. Die Welt sei öde und ihr Held ein Knecht! Kehr‘ wieder, kehre mir zurück!

 

Tannhäuser. Nie mehr erfreu‘ mich Liebesglück!

 

Venus. Kehr‘ wieder, wenn dein Herz dich zieht!

 

Tannhäuser. Für ewig dein Geliebter flieht.

 

Venus. Wenn alle Welt dich von sich stößt?

 

Tannhäuser. Vom Bann‘ werd ich durch Buß erlöst,

 

 

 

Venus. Nie wird Vergebung dir zuteil! Kehr‘ wieder, schließt sich dir das Heil!

(Venus sinkt mit einem Schrei zusammen.)

 

 

Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Alle Felder sind erforderlich.