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9. Februar 2010 von Hermann Achenbach

Jainismus: Die Welt ist unerschaffen.

So mancher Narr behauptet,
ein Schöpfer habe die Welt gemacht.
Aber die Lehre, die Welt sei geschaffen,
ist töricht und muss zurückgewiesen werden.
Denn wenn Gott die Welt erschuf,
wo war er dann vor der Schöpfung?
Wer aber sagt, er war außerhalb aller Schöpfung und
brauchte keine Hilfe –
wo ist er dann jetzt?

Kein einzelnes Wesen besaß die Fähigkeit,
diese Welt zu machen.
Denn wie kann ein unstofflicher Gott schaffen,
was stofflich ist?

Wie konnte Gott
die Welt ohne Rohstoff schaffen?
Wer sagt, zuerst machte er den Rohstoff
und dann die Welt,
verstrickt sich in einer regressio ad infinitum.

Wer behauptet,
dieser Rohstoff entstand von selbst,
gerät in eine neue Falle.
Denn dann müsste das ganze Weltall
sein eigener Schöpfer
und ebenfalls von selbst entstanden sein.

Wenn Gott die Welt
durch einen Willensakt ohne Rohstoff
schuf, dann war es nur sein Wille
und sonst nichts. –
Wer wird so etwas Törichtes glauben wollen?

Und wenn er wirklich vollkommen
und umfassend ist, wie sollte wohl der Wille,
etwas zu schaffen, in ihm entstanden sein?

Wenn er andererseits nicht vollkommen ist,
so könnte er das Weltall ebenso wenig
erschaffen wie ein Töpfer.

Ist er formlos,
bewegungslos und allumfassend,
wie sollte er dann die Welt geschaffen haben?
Eine solche Seele, frei von jeder Eigenschaft,
würde doch gar nicht den Wunsch haben,
etwas zu schaffen.

Ist er vollkommen,
so bekümmert er sich nicht um die drei
Ziele des Menschen.
Welchen Nutzen würde er also
durch die Schöpfung der Welt haben?

Wer sagt, er schuf ohne jeden Zweck,
einfach weil es seine Natur ist –
dann wäre Gott nicht zielstrebig.
Und wenn er in einer Art Spiel geschaffen hat,
so war es das Spiel eines närrischen Kindes,
das nur Unglück bringt.

Wenn er veranlasst vom Karma,
wie es verkörperte Wesen haben,
schuf [erworben in einer früheren Schöpfung],
Dann ist er nicht der allmächtige Herrscher,
sondern von etwas anderem abhängig…

Wenn er die Welt aus Liebe
für das Lebendige und weil er es brauchte,
schuf, warum machte er dann die Schöpfung
nicht selig glücklich, frei von Unglück?

Befände er sich außerhalb der Welt,
würde er nicht schaffen,
denn er wäre frei.
Und würde er sie durchwandern müssen,
ebenfalls nicht,
denn dann wäre er nicht allmächtig.

So ist die Lehre,
die Welt sei von Gott erschaffen,
Vollkommen unsinnig.

Und Gott begeht auch eine große Sünde,
wenn er Kinder umkommen lässt,
die er selbst erschaffen hat.

Sagt jedoch einer,
er lässt Menschen nur umkommen,
um böse Wesen zu vernichten –
warum schuf er dann überhaupt solche Wesen…

Ein guter Mensch sollte jeden bekämpfen,
der, verdorben von einer schlechten Lehre,
an eine göttliche Schöpfung glaubt.

Wisse, dass die Welt unerschaffen ist,
wie die Zeit selbst, ohne Anfang und Ende,
Und dass sie auf Prinzipien beruht,
dem Leben und dem übrigen.

Unerschaffen und unzerstörbar
besteht sie in der Notwendigkeit
ihres eigenen Wesens,
geteilt in drei Bereiche –
Hölle, Erde und Himmel.

Abbildung: Jain-Ornament
Text:: Der Jainismus ist eine über 2.500 Jahre alte, 
indische, im Wesentlichen atheistische Tradition mit  
hinduistischem Ursprung. Göttliche Offenbarungen und 
damit auch ein Schöpfungsgeschehen werden abgelehnt. 
Das Universum ist unerschaffen und wird nicht zerstört, 
sondern unterliegt Naturgesetzen und deren Wandel.

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