
26. Februar 2014 von Christel Maria Achenbach
Sehnsucht nach Licht
Ganz ruhig sitze ich am Fenster meines Zimmers und betrachte das im Osten erwachende Morgenlicht. Kalt und in zarten Farben erscheint es über dem Horizont. Stille und Erstarrung im ersten Frost.
In meine innere Stille, in der sich mein Wesen weitet und das wundervolle Geschehen aufnimmt, fällt eine Bewegung, kaum merkbar, lautlos, und wieder, und wieder, und noch einmal. Was ich zuerst nur aus den Augenwinkeln wahrnehme, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Fensterbrett entdecke ich eine Topfpflanze, mit zarten, rosafarbenen Stielen und dunkelroten Blättern. Noch zarter und verletzlicher wirken die kleinen lila Blüten.
Woher kommt die Bewegung? Einzelne Blätter verändern ihre Richtung, sie wenden sich dem Licht zu. Mit kleinen ruckartigen Bewegungen befreien sie sich von Behinderungen durch andere Blätter, richten sich auf, wenden sich um. Es ist ein Streben und Bemühen, die wärmenden Strahlen voll und ganz in sich aufzunehmen.
Erstaunt und bewundernd beobachte ich. Ich sehe die Sonne, die allen Pflanzen Leben schenkt, sie ernährt, sie wachsen, blühen und gedeihen lässt. Ganz ohne Vorbehalte wenden die Blätter sich den Strahlen zu, nehmen sie auf und lassen sie wirken. Sie kämen nie auf die Idee, sich dem Licht zu verschließen. Es wäre ihr Tod.
Sind Pflanzen klüger als Menschen? Erkennen sie besser als wir die Quelle allen Lebens, die im Licht ist, Kraft spendend, Wachstum gebend, Erneuerung schenkend?
Eine ganze Weile betrachte ich fasziniert dieses sich öffnende und hingebende Geschehen. Ja, so ist es gut.
Was hindert uns „kluge“ Menschen daran, es den Pflanzen gleich zu tun? Warum spüren wir Widerstand, uns zu öffnen, ohne Vorbehalte? Ist es Mangel an Zeit, Gelegenheit oder einfach ein Unterdrücken des Gefühls nach Einheit? Ich glaube, wir haben Angst, uns fehlt Mut. Wir spüren, wie verletzbar, wie endlich wir sind. Unsere schmerzhaften Erfahrungen haben uns gelehrt, dass es besser ist zu kämpfen, sich zu wehren oder sich zurück zu ziehen und zu verschließen. Niemand will sein wahres Wesen zeigen, mit seinen Schwächen und Fehlern. Es scheint klüger zu sein, sich hinter dicke Mauern zu verstecken, in der Hoffnung, dass sie uns schützen. Wir vertrauen diesem Schutz und fühlen uns geborgen und behütet. Erst viel, viel später spüren wir, dass die Schutzmauern uns einengen, behindern, uns vereinsamen lassen, unseren Blick versperren, dass unser Herz hinter ihnen erkaltet und sich unser Wesen verdunkelt.
GOTT sprach: „Es werde Licht“ – und es ward licht im Herzen der Menschen, ein wärmendes, erhellendes Licht. Wenden wir uns ihm zu. Unser Hinwenden und Öffnen wird beantwortet durch einen Strom von befreiendem Licht. Es wirkt entdeckend, lässt Mauern und Behinderungen sichtbar werden, aber es zeigt auch die Bewegungen, die nötig sind, um Veränderungen im Verhältnis zu anderen zu verwirklichen. Unsere wahre Lebensaufgabe wird deutlich.
Durch mein Fenster scheint nun die Sonne. Auf der Fensterbank werden die Bewegungen weniger. Die Pflanze steht jetzt im vollen Licht. Bereit, eine Botschaft auszusenden zu uns Menschen und unsere Seelen zu berühren.
Foto von Christel Maria Achenbach: Oxalis triangularis, auch Dreieckiger Glücksklee oder Roter Dreiecksklee
1 Kommentar
H.P.
…sie wissen aber schon, dass Pflanzen nur zwei Trägerkörper besitzen, und dass dieses „sich zum Licht wenden“ bei Pflanzen eher eine Art physikalischer Reflex ist ???
Aber als symbolische Metapher ist so ein Geschehen schon beeindruckend – das geb‘ ich zu.