
12. Juni 2018 von Frank Saß
Die Gralsfrage
In der Parzivalsage wird erzählt, dass Parzival in die Gralsburg gelangte und dort Zeuge wundersamer Ereignisse wurde. Er hätte Gralkönig und Nachfolger des siechen Königs Anfortas werden können, wenn er eine Frage gestellt hätte. Da er stumm blieb, fand er sich am nächsten Morgen in einer völlig verlassenen und verwaisten Burg wieder, die er daraufhin verlässt, um zu weiteren Abenteuern in die Welt aufzubrechen.
Ist es nicht höchst rätselhaft, dass es vom Stellen einer Frage abhängt, ob Parzival Gralkönig wird oder nicht?
Um was für eine Frage geht es da?
Nur um die Bekundung von Mitleid, wie oft erklärend beschrieben wird?
Was bedeutet es überhaupt, eine Frage zu stellen?
Eine Frage zu stellen ist eine Art der Magie.
Wenn man sich eine Frage stellt, eine ernsthafte Frage, vielleicht aus einer Lebensnot heraus, ohne unmittelbar mit dem Verstand nach einer Antwort zu suchen, wie wir es meistens tun, nein, wenn wir die Frage einfach im Raum stehen lassen, im Bewusstsein, dass wir selbst keine Antwort darauf haben, dann entwickelt sich eine magisch-magnetische Wirksamkeit: dann kommt irgendwann eine Antwort auf uns zu.
Dann entsteht eine Situation oder wir lesen etwas, unterhalten uns mit jemanden und plötzlich ist da die Antwort.
Fragen bedeutet auch: suchen.
Fragen bedeutet: sich zu öffnen.
Sich zu öffnen für Antworten oder Lösungen, die nicht in unserem Verstand vorhanden sind.
Auf diese Weise zu fragen bedeutet, nach einer höheren Wahrheit zu suchen.
So wie wir fragen, so ist die Antwort.
Wenn wir nicht fragen, gibt es auch keine Antwort, dann ist Stillstand.
Unser Suchen und Fragen ist der Motor auf unserem inneren Weg!
Wollen wir mit dem göttlichen Geist in Berührung kommen, so müssen wir ihn durch unser Ringen um Wahrheit, durch das innere Vacuum, dass wir durch das Fragen erzeugen, an uns ziehen.
Wandbild Neuschwanstein: Parzival und Anfortas
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