
5. Mai 2015 von Hermann Achenbach
Michael Maier
Im Jubiläumsjahr 2014 zum Erstdruck der Fama Fraternitatis erschien ein außerordentlich reichlich bebilderter Ausstellungskatalog der Bibliotheca Philosophica Hermetica. Lesen Sie hier einen Artikel über Michael Maier, einem hochinteressanten Zeitgenossen um 1600. Zu beziehen ist das Buch beim DRP – Rosenkreuz – Verlag für 30,00 €. Bestellung hier:
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Geboren in Kiel, hat Michael Maier (1569-1622) nacheinander erfolgreich Medizin und Philosophie in Rostock, Frankfurt an der Oder, Padua und Basel studiert. Zunächst arbeitete er als gewöhnlicher Arzt, lenkte jedoch seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf alchemische Experimente und die Iatrochemie. Er suchte die Protektion Rudolfs II. in Prag, ausgestattet mit einer Universalmedizin, die er selbst entwickelt hatte. Diese hatte eine leuchtend gelbe Farbe, von der er behauptete, dass er sie von Gottes Gnade erhalten habe. Nach Rudolfs Abdankung musste Maier nach einem neuen Gönner Ausschau halten. In den Jahren 1611-1616 war er in England, wo er die Hoffnung hegte, in James I. einen neuen Gönner zu finden. Seine „Visitenkarte“ war ein Weihnachtsgruß für den König. Er war aus großem, gefaltetem Pergament mit einem Rosenkreuz-Emblem in der Mitte gemacht, das aus goldenen und roten Worten bestand, die flankiert wurden von vier lateinischen Reimen. Der Gruß enthielt zusätzlich ein Musikstück, einen Kanon. Dieser Weihnachtsgruß von 1611 hat den Ruf, das früheste, bekannte Auftreten des Rosenkreuz-Symbols in England zu sein.
Da die Fama Fraternitatis erst 1614 in Druck erschien, deutet das auch darauf hin, dass Maier auf die eine oder andere Weise mit dem rosenkreuzerischen Gedankengut in Kontakt gekommen sein muss, das bereits als Manuskript in kleiner Auflage im Umlauf war. Im Gegensatz zu dem, was man in der früheren Literatur lesen kann, haben Fludd und Maier sich in London nicht kennengelernt: Es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass die beiden Männer sich jemals getroffen hätten. Sie engagierten jedoch den gleichen Verleger und Illustrator für ihre Hauptwerke: Johann Theodor de Bry beziehungsweise seinen Schwiegersohn Matthäus Merian. Der andere sie einende Aspekt war, dass sie beide Ärzte und standhafte Verfechter rosenkreuzerischen Gedankengutes waren, obwohl beide sich dem Rosenkreuzer-Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln näherten. Mehr noch als Fludd ging es Maier darum, das rosenkreuzerische Gedankengut in der Praxis anzuwenden, mit der Betonung auf dem medizinischen Aspekt der Bruderschaft, was sein Werk Themis aurea, hoc est de legibus fraternitatis R.C. (1618) bezeugt. In diesem Werk werden die sechs Gesetze der Bruderschaft erläutert, wie sie in der Fama aufgelistet werden, allerdings nicht sehr gleichgewichtet. Maiers Diskussion des ersten Gesetzes, das sich auf die kostenlose Behandlung Kranker bezieht, nimmt bereits mehr als die Hälfte des Buches ein!
Viele von Maiers Werken sind der Organisation der menschlichen Erfahrung gewidmet, so wie sie innerhalb seiner privaten Welt einen Sinn ergab und sich umgekehrt zur traditionellen Kosmologie, Arithmethik und den hermetischen Konzepte verhielt. Ein Beispiel dafür ist die Symbola aureae mensae (1617), in welcher er die vier Kontinente bespricht. Wie mit einem Blick von außen auf die Erde gesehen, bilden sie die Form eines Kreuzes: Das Kreuz der vier Himmelsrichtungen und der vier Elemente. Europa bezieht sich auf Erde, Amerika auf Wasser, Asien auf Luft und Afrika auf Feuer. Bei der Erläuterung der Frage, welche Gestalt die Menschen auf der Mondoberfläche sehen, sagt er in der Septimana philosophica (1620), dass das, was wir sehen, abhängig sei von unserer Position auf der Erde. Einige sehen einen Hasen, einige einen Mann, andere eine Frau: Europäer sehen eine Frau im Mond. Dies wird gemäß Maier von der Tatsache verursacht, dass der Mond uns eine Reflektion zeige, die durch die Sonne, die auf die Erdoberfläche auftrifft und ihr Bild zum Mond zurücksendet, verursacht werde. Dementsprechend sehen die Menschen in Indien andere lunare Zeichen: Sie sehen die Reflektion ihres Teiles der Welt. Jedoch behauptet Maier weiter, dass Europa eine Frau sei und Deutschland ihr Bauch. Indem er sich auf die Rosenkreuzer-Manifeste bezieht, besteht er darauf, dass Deutschland mit einem Kind schwanger sei und in naher Zukunft großartige Dinge hervorbringen werde. Aufgrund dieses numinosen Bildes wurde Astronomie in heilige Geographie umgewandelt! In diesem Zusammenhang ist es gut, nochmals zu betonen, dass die allegorische Sprache der Alchemie nicht nur eine geheime Methode war; sie drückte auch Möglichkeiten aus, in denen die Alchemisten – und viele frühe Vertreter der Moderne, einschließlich Robert Fludd – häufig die Welt und den Platz des Menschen in ihr betrachteten. Die Welt wurde als Netz von Korrespondenzen und Beziehungen, als verschüttete Metapher betrachtet, in der Metaphern wirkliche Verbindungen waren, nicht nur rhetorische Ausschmückungen.
Vom allerersten Beginn an waren Alchemie und Naturphilosophie Synonyme. Hermes habe über das „Werk der Natur“ geschrieben, sagt Maier. Die Sinnbilder in Atalanta fugiens handeln von den Geheimnissen der Natur: Entsprechend trägt jedes Sinnbild den laufenden Titel „De secretis naturae“ (die Geheimnisse der Natur). Die Bruderschaft der Rosenkreuzer versucht auch, sich Gott anzunähern, indem sie die Geheimnisse der Natur zu durchdringen versucht. Maier schreibt in Silentium post clamores (1617), dass die Geheimnisse der Natur von gleicher Art seien wie die Geheimnisse, welche die Bruderschaft erkläre (siehe die Überschrift des 2. Kapitels). Daraus folgt wiederum, dass Maier Lehre und Weisheit der Rosenkreuzer auf eine Ebene mit dem Inhalt der ältesten alchemisch-esoterischen Quelle stellt, die Hermes zugeschrieben wird, nämlich die Tabula Smaragdina, mit welcher Maier seine Serie von Emblemen in Atalanta fugiens beginnt.
Was Maier in seinem alchemischen Emblembuch Atalanta fugiens tut, ist eine Art praktizierte Mytho-Alchemie: Er interpretiert alle Arten von klassischen mythologischen Figuren und Erzählungen in alchemischer Weise. Er bietet keine Rezepte an noch beschreibt er Experimente, aber er weist in Bildern und in kurzen Begleittexten darauf hin, worum es in der Alchemie geht.
Atalanta fugiens, Emblem XXI
In diesem Emblem benutzt Maier geometrische Figuren als Symbol für die Verbindung von Prozessen im Mikrokosmos und im Makrokosmos. Die Verbindung zwischen Mathematik und Naturwissenschaften geht zurück auf Pythagoras und Plato und blieb bis weit in das 17. Jahrhundert aktuell. Wie Kepler sagt: Wenn der Mensch sich mit der Mathematik beschäftigt, folgt er, Schritt für Schritt, den Gedanken Gottes, die Stoff gewordene Natur sind.
Ein Philosoph mit einer phrygischen Kappe (Hermes Trismegistos ?) steht vor einer Mauer, auf welche ein Mann und eine Frau projiziert sind. Der Philosoph zeichnet eifrig mit einem Zirkel geometrische Figuren um die beiden herum. Die Szene stellt buchstäblich das Motto dar: „Mache einen Kreis aus Mann und Frau, daraus ein Quadrat, daraus ein Dreieck, mache einen Kreis und du wirst den Stein der Weisen erhalten.“ Nachdem er die Wichtigkeit der Geometrie herausgearbeitet hat, auf die Plato schon hingewiesen hatte (Das Motto über dem Eingang seiner Schule war, dass es niemandem ohne Kenntnis der Geometrie erlaubt war, einzutreten), sagt Maier, dass Naturphilosophen den Kreis in ein Quadrat und das Quadrat in ein Dreieck und das Dreieck in einen Kreis umwandeln können. Mit Kreis meinen sie einen einfachen Körper, mit Quadrat die vier Elemente. Mann und Frau repräsentieren den Gegensatz; sie sind Schwefel und Quecksilber, aus dem der Stein entsteht; sie sind Licht und Dunkelheit des Kosmos, sie sind Geist und Materie. Der Alchemist sollte die Gegensätze auf die „materia prima“, die erste Materie reduzieren, auf Chaos (der erste, Mann und Frau umgebende Kreis). Hieraus entspringen vier Elemente, dargestellt durch das Quadrat; und von den vier Elementen entspringen wiederum Geist, Seele und Materie symbolisiert durch das Dreieck. Es ist dieses Dreieck, das den Stein der Weisen hervorbringt, d. h. die Einheit des Universums (der äußere Kreis). Dieses Thema kehrt ausführlicher wieder in Maiers De circulo physico quadrata, veröffentlicht 1616. Im Mittelalter wurde die Quadratur des Kreises mit der gleichen Beharrlichkeit erstrebt wie die alchemische Rubedo (die Phase, wenn sich alles rot färbt, was nötig ist für die Geburt des Steins); in der alchemischen Literatur schmolzen beide Themen zusammen. Schwärze und Röte zeigten in der Alchemie eine Ähnlichkeit zu dem Kontrast Quecksilber – Schwefel oder männlich – weiblich. Blei und Gold stehen am Beginn und am Ende eines zirkulären Prozesses. Maier leitete die geometrischen Motive von Kreis, Quadrat und Dreieck aus zwei Quellen ab: Eine ist das anonyme Rosarium philosophorum, das auch die Grundgedanken zu diesem Emblem lieferte, das andere ist der Tractatus vere aureus, Hermes Trismegistos zugeschrieben, der die Basis für Maiers Erklärung ist. Am Ende dieses Kommentars betont Maier, dass die Bedeutung und das endgültige Ziel des alchemischen Prozesses in der Rückkehr zur Monade, zu Gott, besteht, in dem Ruhe und ewiger Friede ist.
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