
24. Oktober 2012 von Jean Pierre Weber
Fragen, Antworten, Fragen
Die Welt ist voller Geheimnisse, die entdeckt werden wollen.
Kleine Kinder fangen meist früh an zu fragen, warum etwas ist, warum es so ist und nicht anders. Manche hören irgendwann wieder auf zu fragen. Es könnte ja zu Verpflichtungen führen … Oder sie bekommen keine Antworten oder irreführende oder man verbietet ihnen sogar zu fragen.
In unserem Herzen lebt aber ein nicht zu stillender Drang, herauszufinden, wer wir sind und was es mit unserem Dasein auf sich hat. Deshalb drängen die Fragen irgendwann wieder nach oben.
Das Corpus Hermeticum beginnt in seinem ersten Buch, dem Buch „Pymander“, mit einer großen Frage. Hermes schreibt:
„1. Einst, als ich die wesentlichen Dinge überdachte und mein Gemüt sich erhob, schlummerten meine körperlichen Sinne vollkommen ein, wie bei jemandem, der nach einer übermäßigen Mahlzeit oder infolge großer körperlicher Müdigkeit von einem tiefen Schlaf übermannt wird.
2. Es war mir, als sähe ich ein gewaltiges Wesen von unbestimmter Form, das mich beim Namen nannte und zu mir sagte:
3. «Was willst du hören und sehen, und was verlangst du, in Deinem Gemüt zu lernen und zu erkennen?»
4. Ich sprach: «Wer bist du?»
5. Und erhielt zur Antwort: «Ich bin Pymander, das Gemüt, das aus sich selbst seiende Wesen. Ich weiß, was du begehrst, und ich bin überall mit dir.»
6 Ich begehre, unterrichtet zu werden über die wesentlichen Dinge, ihre Art zu verstehen und Gott zu erkennen. O, wie sehr verlange ich zu verstehen!»
7. Er antwortete: «Halte in deinem Bewusstsein gut fest, was du lernen willst, und ich werde dich unterrichten.»
Wir haben eine fragende Haltung an das Leben. Wer bin ich? Welchen Sinn hat mein Dasein? Wenn wir diese Fragen nicht unterdrücken oder zuschütten, werden sie immer drängender und veranlassen uns zur Suche. Wir klopfen an viele Türen, treffen auf den einen oder anderen Menschen, die eine oder andere Gemeinschaft und überprüfen, ob die Antworten, die uns präsentiert werden, stimmig sind.
Das Wort „Pymander“ bezeichnet eine tiefere Ebene in uns. Sie ist es, die uns fragen lässt und die zugleich die fundamentalen Antworten in sich beschlossen hält. Wenn wir genügend darauf vorbereitet sind, empfangen wir, wie Hermes, die Antworten. Es mag eine Vision sein, eine Eingebung oder ein schlichter Gedanke.
Ähnliches wird mit dem Satz „Klopfet an und es wird euch aufgetan!“ zum Ausdruck gebracht.
Wer mit seinem ganzen Wesen anklopft, bleibt nicht ohne Antwort. Allerdings entspricht die Antwort immer dem Wesenszustand des Fragenden. Niemand wird mit der Antwort, die er bekommt, überfordert. Wer damit weiterarbeitet, verändert sich und wird dadurch fähig, Fragen auf einer neuen Ebene zu stellen. Und er kann auf die Antworten wiederum reagieren. So können wir einen Stufenweg beschreiten.
Wir stehen immer in der Pflicht unserer Erkenntnisse. Stets gibt es Impulse und Erkenntnisse, die wir noch nicht umgesetzt haben. Die Kräfte, die wir mit unseren Fragen auf den Plan gerufen haben, werden uns helfen.
So kann der Weg uns in immer höhere, feinere und serenere Gebiete führen. Im Hintergrund steht Pymander und leitet uns, wenn wir ihm die Möglichkeit dazu geben.
Mehr und mehr Lebensgeheimnisse entschleiern sich. Wir verstehen immer besser, warum wir an dieser und nicht an jener Stelle stehen, warum gerade dies unsere Aufgabe ist und nicht etwas anderes, warum wir in dieser Menschengruppe unsere Arbeit verrichten und nicht in einer anderen.
Das Erahnen eines großen geistigen Planes stellt sich ein. Wir sehen unseren Lebensauftrag als einen kleinen Teil davon und versuchen, den Blick auf das Ganze gerichtet zu halten.
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