7. November 2012 von Maren Weiß

Das letzte Einhorn

Das Einhorn – lateinisch unicornis ( aus unus = eins und cornu = Horn) – ist ein Fabelwesen, das in vielerlei Bildgestalt erscheint und den Betrachter durch seine scheue Anmut entzückt. Aber welches Rätsel ist damit verbunden, welche Bedeutung kommt ihm zu?

 

In dem Buch „Das letzte Einhorn“ von Peter S. Baegle wird gesagt, dass es in einem Wald, in dem ein Einhorn lebt, immer Frühling ist. Es gibt keinen Herbst, es gibt kein Vergehen. Das erinnert an den Zustand der Zeitlosigkeit oder Ewigkeit. Weiter wird von jenem Einhorn gesagt, dass es jeden Schein entlarve und jedes Gefängnis öffne. Und um es zu fangen, benötige man keinen Zaum, sondern bloß ein reines Herz. Wenn aber ein Unberechtigter es fangen wolle, entgleite es ihm wie Wasser.

Diese Beschreibung genügt, um zu verstehen, dass es sich hier um eine Metapher für etwas Höheres, etwas Geistiges handelt. Das Einhorn als Sinnbild für die Geistseele.

 

In der Geschichte „Das letzte Einhorn“ wird nun erzählt, wie dem Einhorn ein Roter Feuerstier als Symbol für ungezügelte und bedrohliche Leidenschaften gegenüber gestellt wird, der ihm nach dem Leben trachtet. Im Bunde mit dem Roten Stier ist ein böser König, der alle Einhörner fangen ließ und sie im Meer für seine egozentrischen Beweggründe fest hält. Da macht sich das letzte Einhorn auf die Suche nach seinen verlorenen Artgenossen – getrieben von der Sehnsucht nach ihnen. Zum Ende der Geschichte werden alle Einhörner wieder frei, der Rote Stier ins Meer getrieben und der böse König stürzt mit seinem Schloss, das auf tönernen Füßen stand, ins Meer. Die Einhörner aber verteilen sich wieder über das ganze Land und ihre tugendhafte Kraft wird für alle frei.

 

Auch die Geistseele des Menschen ist gefangen und wird im Dienste von König Ich missbraucht. Wenn aber das Licht des Geistes zu einem Menschen ausgeht und von ihm empfangen werden kann, ist es möglich, die Gefangenschaft zu beenden und die Geistseele daraus zu erlösen. Dann ist auch der Rote Stier besiegt, das sind die Leidenschaften und Untugenden des Ich-Menschen, und schließlich muss König Ich sogar seinen eigenen Thron einstürzen sehen.

 

So will uns die Geschichte vom letzten Einhorn symbolisch an unser eigenes inneres Einhorn gemahnen und uns ermuntern, es zu befreien.

 

Abbildung von Adi Holzer (Quelle Wikipedia)

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