Bild: Das I Ging – Der Quell königlich, geistigen Wissens
25. Oktober 2022 von Aurora Jahn

Das I Ging – Der Quell königlich, geistigen Wissens

Das I Ging der Chinesen ist die älteste philosophische Schrift der Menschheit und wird zeitlich auf das Jahr 1200 vor Chr. angesiedelt, eine Zeit in der es schriftlich fixiert wurde.

Vereinzelt hatte ich den Begriff schon gehört, ohne mir eine konkretere Vorstellung davon machen zu können. Unbeabsichtigt wurde ich jetzt mit diesem Phänomen konfrontiert, und so will ihm, soweit ich es vermag, nachgehen.

Das I Ging, auch als das Buch der Wandelungen bekannt, denn I bedeutet soviel wie Wandel oder Tausch und weist auf den nicht statischen Charakter aller Lebenserscheinungen in dieser Welt hin. Es übermittelt vierundsechzig Hauptthesen, die in ihren Aussagen sprachlich eng angelehnt sind an bildhaft Naturerscheinungen wie den Jahresverlauf, sowie die die Erde und das Leben der Menschen beherrschenden Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde). Dabei wird auch der kosmische Aspekt nicht außer Acht gelassen. In der neuesten Zeit spricht man auch von 64 Hexagrammen, weil das I Ging auch als Orakelbuch benutzt wurde und wird.
Die 64 Hauptaussagen werden in ihrer Sinnhaftigkeit erklärt, indem menschliche Eigenschaften und Umweltbedingungen wie die Beziehung zur Familie, zum Beruf und zum öffentlichen Leben analysiert werden. Ergänzend wird auf mögliche Veränderungen oder Beeinflussungen von Lebenssituationen aufmerksam gemacht, auf die sogenannten Wandelungen.
Alles aber steht letztlich im Dienst einer harmonischen Lebensführung im Einklang mit den Gesetzen des Kosmos. Aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Individualität und den universellen Gesetzen will das I Ging auch das Unterbewusste dem Menschen bewusst machen.
Die kosmische Ordnung, auf die im I Ging so oft hingewiesen wird, ist mit göttlichen Gesetzen identisch und zwar als geistiges Prinzip, das unvergänglich ist. Wie diese Perspektive von dem Menschen vor ca. 3200 Jahren empfunden wurde, kann vom heutigen Menschen kaum nachvollzogen werden. Möglicherweise war diese Beziehung noch ursprünglicher, da sich der Mensch mit der Natur und dem Kosmischen intuitiv verband.

Wenden wir uns nun der 48. Aussage des I Ging über den Quell zu.
Sie lautet:

Der Quell. Der Ort mag sich ändern, doch der Quell bleibt und erschöpft sich nie. Immer wieder kann man sich an dem Quell laben. Aber wenn die Verbindung nicht richtig hergestellt ist, droht Unheil.
Tiefes Durchdringen bildet die Bedingung für den Quell. Deshalb ermutigt der Edle die Menschen um ihn mit Rat und Tat.

Welcher Quell ist hier gemeint?
Wo ist er zu finden, der Quell, der sich nie erschöpft, obwohl sich der Ort ändern mag?

Äußerlich betrachtet steigt ein Quell mit seinen Wassern aus der Tiefe der Erde auf, und die Wasser suchen sich ihren Weg. Ein Quell kann kräftig oder schwach sprudeln. Aber er erfrischt und nährt mit seinen Wassern das Land, die Tierwelt und dient dem Menschen als wichtige Lebensgrundlage. Es kann auch vorkommen, dass ein Wasserlauf seine Richtung ändert, aber auch das trägt zu einem Ausgleich in der Natur bei.

In einer transfiguristischen Geistesschule sprechen wir von einem inneren Quell, dem Quell des Herzens.
Der Quell steht für die tiefe, nie versiegende göttliche Quelle von Energie und Sinn, die jeder Mensch besitzt. Es ist die Rose des Herzens oder auch das Kleinod in der Lotosblume, wie es der östliche Mensch nennt. Wenn der Mensch diesen inneren Quell durch tiefes Durchdringen der ewigen Wahrheiten in sich erschließen kann, hat er den Quell gefunden, der im Herzen, auch in der Mitte des Mikrokosmos ruht.
Die Rose des Herzens oder auch als Geistfunkenatom benannt, ist der Mittelpunkt des Mikrokosmos, die Quelle, aus der das lebende Wasser, von dem auch das I Ging spricht, fließen kann. Dieser Quell erschließt uns dann auch ein neues Denken.
Doch oft ist dieser, unser innerer Quell, von Angst, Furcht und Sorge, die sich auf dieses Leben bezieht, wie verschüttet und wir fühlen uns darum innerlich wie taub, leer, orientierungs- und mutlos.
Diesen inneren Quell wieder zu erschließen war und ist die Aufgabe des Menschen, der sich als kosmisches Wesen empfindet und in der Aura der göttlicher Vibration atmen will.

Die Tradition des Wissen um den Wandel und die Veränderung der Dinge, die sich in der chinesischen Philosophie vor allem durch Gegensätze manifestiert wie Tag und Nacht, Kälte und Wärme, Leben und Tod, yin und yang, wird später durch Laotse, Konfuzius und in der neueren Zeit auch durch Mao-tse-tung fortgesetzt. Es ist der Gedanke der stetigen Veränderung aller Erscheinungen in dieser Welt.

So war das dialektische, materialistische Denken oft auch die Grundlage für die Forderung, Gedanken in die Tat umzusetzen, die als solche als positiv angesehen werden kann. Wenn jedoch ihre Ausformung ausschließlich auf der materialistischen Basis geschieht, wie es in der extremsten Form zur Zeit Mao tse tungs stattfand, kann es mit Unheil beladen sein. Denn allein das Wissen um diese Welt und das damit verbundene auf den Stoff gerichtete Denken, schenkt dem Menschen keine innerliche Befreiung, sondern fesselt ihn an diese Welt und ihren Mechanismus. Ohne den Ausblick zum Kosmischen, zu einer Übernatur, die in der göttlichen Anschauung ruht, ist der Mensch der Schwerkraft der Natur und ihrer Gesetzmäßigkeit ausgeliefert.

Dem Gesetz der Übernatur aber folgt das I Ging in ureigenster Weise
und folgert, dass ein Mensch, der den inneren Bezug zum Kosmischen, zur Übernatur herstellt und danach zu leben beginnt, auch anderen beim Aufbau des Zugangs zur innereigenen Quelle behilflich sein kann. Ein besonderes Kennzeichen solchen Handelns ist die Ermutigung, die zu Inspiration führt.

So gesehen, kann das I Ging dem heutigen Menschen viele Aufschlüsse über sich und die Welt geben, auch ohne das man dieses Weisheitsbuch wegen seiner Vielseitigkeit als Orakel benutzt.

Foto: Igor Ovsyannykov auf Pixabay

 

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